Sonntag, September 24, 2006

Am Rande des Meeres



Sie stand am Rande des Meeres und fühlte deutlich, dass in den nächsten Tagen etwas Wichtiges passieren würde. Etwas das ihr inneres Gleichgewicht, um das sie so sehr bemüht war, zerstören würde.Und doch hieß sie es willkommen, da sie wusste, dass es für sie notwendig war aus diesem Gleichgewicht gebracht zu werden, um einen Schritt weiter auf ihrem Weg gehen zu können.Sie beobachtete wie die Wellen ihre Füße umspülten und fühlte wie ihr Fußbett im Sand geformt wurde. Dies war der einzige Ort an dem sich sich gänzlich mit sich selbst im Einklang fand.Die Wellenbewegung spiegelte die Bewegung in ihrem Inneren wieder.

Montag, August 28, 2006

Steine unter ihren Sohlen

Sie fühlte die Hitze der Steine unter ihren Sohlen. Die Luft über den Asphalt der Straße.
In der Ferne sah man eine Staubwolke.

Noch nie war sie von zu Hause weggelaufen. Sie hatte es sich ganz anders vorgestellt. Ihr Magen knurrte, kein Essen in Sicht. Nach drei durchgelaufenen Tagen und schlaflosen Nächten, fiel ihr das Gehen schwer.
„Ich muss hier irgendwo etwa zu essen finden!“, dachte sie verzweifelt.
Die Staubwolke kam näher.
Links und rechts der Straße war Wüste. Sand, Steine und nochmals Sand und Steine. Blauer Himmel, gleißende Sonne.
„Wie bin ich eigentlich hier her gekommen?“, fragte sie sich. Verschwommen fielen ihr Geräusche und Gerüche ein, die sie meinte in den letzten Tagen gehört und gerochen zu haben. Doch sie konnte sie nicht mit einer bildlichen Erinnerung verknüpfen. Sie hatte den Eindruck, schon immer auf dieser Straße bei sengender Hitze gelaufen zu sein.
Die Staubwolke nahm an Größe zu.
„Durst! Ich habe entsetzlichen Durst!“Das letzte mal das sie getrunken hatte musste eben so lange her sein, wie das letzte mal einen vollen Magen gespürt zu haben. Sie fühlte sich völlig ausgedorrt.
Aus der Staubwolke erwuchs eine Kontur.
Sie setzte sich auf die Steine am Straßenrand und sah der näher kommenden Staubwolke zu.
Langsam konnte man erkennen, dass es sich um einen alten,klapprigen Laster handelte.
Noch nie war sie irgendwo mitgefahren. Sie hatte Angst vor Autos. Doch jetzt, hoffte sie der Fahrer würde sie sehen, anhalten und mitnehmen.
Der Laster kam immer näher, wurde langsamer und.... fuhr vorbei!
Der Staub hüllte sie gänzlich ein. Sie fühlte Staub in ihrer Nase, in den Augen und im Mund. Sie nieste und schüttelte den Kopf.
Der Laster setzte zurück. Er hielt an. Drinnen saß ein blonder Junge mit Sommersprossen und einer sehr roten Nase.
„Na, wo kommst du denn her? Soll ich dich ein Stück mitnehmen? Es ist noch ein weiter Weg bis ins nächste Dorf!, sagte er beim Öffnen der Beifahrertür. Sie sah ihn aus großen Augen dankbar an und hüpfte auf den Sitz neben ihm. Sobald er die Tür wieder geschlossen hatte, fuhr er mit großer Geschwindigkeit davon.
Vor lauter Überraschung rief sie laut aus.
„Ist ja gut, dir wird schon nichts passieren. Ich paß schon auf dich auf. Hast wohl lange nichts mehr gegessen, so wie du aussiehst!
Wenn du magst, kommst du mit zu mir. Zu Hause im Kühlschrank habe ich bestimmt was, was dir schmeckt.

Obwohl sie seine Sprache nicht verstand, fühlte sie, dass er es gut mit ihr meinte. Sie hatte Vertrauen zu dem Jungen und kuschelte sich in den Sitz. Kaum hatte sie das getan, schlief sie vor lauter Erschöpfung ein. Noch nicht einmal ihre Angst vor der schnellen Fahrt konnte das verhindern. Der Junge machte sich derweil Gedanken um seine Beifahrerin. Das es eine sie war, war offensichtlich.
„Seltsam, so weit von einem Dorf entfernt. Was macht sie hier wohl? Wie ist sie hergekommen?“
Unter all dem Staub, scheint sie eine Rote zu sein. Arme Kleine! Wahrscheinlich ist sei irgendwo weggelaufen, wo es ihr nicht gut ging. Eigentlich ist sie ja ganz niedlich. Vielleicht kann ich sie ja bei uns unterbringen, Platz genug haben wir ja auf der Hazienda. Doch vor dem Hund wird sie sich bestimmt fürchten. Als erstes muss ich Mama Bescheid sagen, dass sie den Hund anbinden soll, bevor ich sie mit ins Haus nehme.“
Sie passierten ein kleines Ortsschild. Weitab von den Touristenmassen, lag eine kleine Hazienda oben auf einem Hügel. Obwohl das Land drum herum sehr karg war, schien die kleine Ziegenherde genügend zu fressen zu finden. Es gab einen wohl gehüteten größeren Garten, der sehr aufwendig bewässert werden musste. Täglich schleppte seine Mutter, Eimer weise Wasser für die Pflanzen herbei. Seine Mutter war eine unscheinbare kleine Frau, unbestimmbaren Alters, mit einem, im Nacken geknoteten Zopf. Sie trug meist ein schwarzes Kleid, wie die meisten verheirateten Frauen hier.
Der Junge, er hieß Raul, konnte sich nicht erinnern, sie je in einem anderen Kleid gesehen zu haben. Seit dem sein Vater gestorben war, war das Geld noch knapper geworden. Sein Vater hatte gegerbte Ziegenfelle an die Touristen verkauft und Raul war als kleiner Junge immer gerne mit seinem Vater in die Stadt gefahren. Sein Aussehen hatte immer wieder Verwunderung bei den Ausländern hervorgerufen. Blonde Menschen gab es hier selten. Und wenn, waren es meist Menschen aus dem Norden. Keiner aus seiner Familie konnte sich erklären, woher er das blonde Haar geerbt hatte. Seit Generationen hatte es niemanden mit blondem Haar in seiner Familie gegeben.
Im Dorf sagte man, er hätte Guanchenblut in den Adern. Das führte dazu, dass sein Vater ihm ganz genau erklären musste, wer die Guanchen gewesen waren. Doch sehr viel konnte ihm sein Vater auch nicht erklären, denn keiner wusste so genau, was für ein Volk die Guanchen waren und woher sie wirklich gekommen waren. Jedenfalls hieß es, sie seien blond und groß gewachsen gewesen. Ganz anders als die aus Spanien stammende Bevölkerung, die hier seit Jahrhunderten wohnte. Als der klapperige kleine Laster sich den Hügel herauf mühte, wachte Ronja von dem kräftigen Geschaukel auf. Sie setzte sich auf und versuchte aus dem Fenster zu sehen. Der Laster hielt an. Der Junge stieg aus, öffnete die Beifahrertür. Sofort sprang sie heraus, was sie auch gleich bereute. Wenige Meter entfernt, knurrte ein riesiger brauner Hund.